Der Euro ist nur noch einen US-Dollar wert, die Inflation bald zweistellig, Experten warnen vor Rezession und Wohlstandsverlust. „Zurzeit gehen wir davon aus, dass es erst noch schlechter werden muss, bevor es wieder besser werden kann. Doch dieser positive Umschwung steht an“, schreibt Carsten Gerlinger, Managing Director und Head of Asset Management bei Moventum AM, in seinem aktuellen Marktkommentar.
Eigentlich begann alles mit der Pandemie. Ein Virus schickte Millionen in den Lockdown, pflügte sich durch Volkswirtschaften und zerbröselte Lieferketten. Auch aufgrund der Reaktionen von Staaten und Notenbanken konnten die Folgen der Pandemie abgefedert werden. Diese Maßnahmen gegen die Folgen der Pandemie sind laut Gerlingen nun allerdings ein Auslöser für die derzeitigen Probleme und Ängste in der Wirtschaft und an den Märkten. Vor allem das späte Umsteuern der Europäischen Zentralbank (EZB) sorge jetzt für weitere Verwerfungen. Die US-Notenbank Fed habe bereits recht früh klargestellt, dass sie die Inflation energisch zu bekämpfen gedenkt. Die EZB dagegen wartete ab. „Die Inflation wird deshalb jetzt wahrscheinlich noch weiter zulegen – und zusätzlich gerät auch noch der Euro unter Druck“, so Gerlinger.
Für das kollektive europäische Selbstwertgefühl sei es per se schwierig, den Euro auf gleichem Level wie den Dollar zu sehen. Zum anderen sorge der schwache Euro zwar dafür, dass europäische Waren im Ausland günstiger werden, was den Export ankurbeln mag. „Wir importieren über höhere Preise für Importe aber auch weiter Inflation“, sagt Gerlinger. „Und zwar für Privathaushalte wie für Firmen.“
Doch die Unternehmen hat das bislang nicht belastet. Viele Firmen meldeten Rekordgewinne, oft weil sie Knappheitsprämien vereinnahmen konnten. Bei den 40 Dax-Konzernen war das Frühjahr 2022 das zweitbeste Quartal aller Zeiten bei der Betrachtung der operativen Gewinne. Doch es gibt Unterschiede: Während der Energiekonzern RWE Milliardengewinne ausweist, muss sich der Energiekonzern Uniper vom Staat retten lassen. Und auch für die Firmen droht Ungemach: Inflation und fehlende Reserven belasten die Kauflaune und führen möglicherweise zu sinkenden Umsätzen.
Denn auch ein weiterer Mythos wurde entzaubert: Lange gingen die Ökonomen davon aus, dass die Menschen in Pandemiezeiten ihr Geld einfach nicht ausgeben konnten, auf hohen Reserven sitzen und diese nun in den Konsum bringen wollen. Doch die Statistiken zeigen: weder wurde Konsum in größerem Umfang zurückgehalten, noch sind besonders große Reserven da.
Zudem endet etwa in Deutschland die Zeit des 9-Euro-Tickets. Wer jetzt Bahn fährt, zahlt mehr. Dazu wird die Gasumlage eingeführt. Zusätzlich zu immer noch hohen Energiepreisen und der beginnenden Heizsaison sorgt das für einen weiteren Preisauftrieb – der wiederum als Basisargument in Tarifverhandlungen Verwendung findet und erneute Preissteigerungen bringt. „Die Inflation ist noch lange nicht besiegt, hier werden wir noch höhere Stände sehen“, so Gerlinger.
Insofern sei es wahrscheinlich, dass die gegenwärtige Unsicherheit anhält, auch die Märkte noch einmal einen Dämpfer bekommen können. „Aber grundsätzlich ist jetzt auch vieles eingepreist, was Stimmung und Realwirtschaft drückt. So kann der nächste Aufstieg dann vielleicht sogar schneller kommen als gedacht“, so Gerlinger abschließend. (DFPA/JF1)
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